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Samstag, 12. August 2017

Riesen-Wartesaal, poch, still.


Der Himmel wird hell, der Himmel wird dunkel. Hoch ist er. Nur manchmal senkt er sich, weit genug, um selbst niedrige Vorhutberge grau zuzudecken.
Schickt er Boten? Möglich.
An nicht vielen Orten Europas ist der Himmel so groß. Geräumig sein, das muss er auch, muss er über ganz Rumänien. Schon weil, neben mehr als 80 Prozent Christlicher Orthodoxie, anderthalb Dutzend weiterer Religionen traditionell existieren, im sekulären Staat Rumänien.
Zweiundzwanzig Millionen Himmelsstürmer auf verschiedenen Bahnen. Strenge, weniger strenge... . Nichtgläubige fast gar keine, so sagen es die Zahlen.
Besonders viel Platz aber hat der Himmel genau hier: im Rendezvousgebiet von Süd- und Ostkarpaten, in Siebenbürgen, dem Burzenland, in Kronstadt. Auf eine einzelne, vergessene Industrieschornstein-Nadel kann er sich stützen, auf gemäßigt hohe Häuser. Auf den Berg Zinne mit Brasovs Namensbuchstaben, auf Burgberge, den Skilift-besetzten Schuler oder eine ganze Kette Zweitausender, Zweieinhalbtausender dahinter. Sonst ist dieser Himmel frei. Schüttelt einen seltenen Hubschrauber ab wie eine lästige Hummel. Und ist nicht, wie anderswo, umkreist, umschnürt, zerkratzt von Luftverkehr.
Neue orthodoxe Kirche in Weidenbach (Ghimbav), dem Kronstadt-nahen Ort mit dem unfertig schlummernden Flughafen
Zumal Kronstadts länger versprochener Flughafen so auf sich warten lässt. Eine Landebahn bekam er schließlich, nach Jahren, in denen neue, erwartungsfrohe Straßenzüge und goldene, orthodoxe Kuppeln nah aus dem Staub stiegen wie Sonnen.
Und weiter? Ging es, geht es mit dem Flugplatz erstmal nicht. Oder? Doch. Nein. Oder?
Gen Westen (wo auch nicht jedes Detail funktioniert), von der Bauernburg Rosenau, in Nachbarschaft zum Flughafenbautraumort Weidenbach
Ach...
Bestimmt wird er an die Landstraße gebaut von: Godot.
Genau wie der Flughafen in einer anderen irgendwie armen, irgendwie nicht armen, lässigen Stadt mit `B´. Einer nördlicheren, bergfernen, in einem eigentlich durchorganisierten, anderen Land. Nicht BÄR soll der Flughafenname dorten dann sein, wie es hier, an den Bärenwäldern, wie auch dort, an der Wappenbärenstadt, passen würde. Nein, BER soll er heißen, der Flughafen-Irgendwann, dort, bei Berlin.
Mondkalt glänzen da im Norden ganze Hallenlandschaften, im Grunde lange fertig. Zu klein zwar jetzt schon, sagen manche, für die geplante millionenfache Nutzung. Aber rein hallen-räumlich doch enorm, wie für Riesen. (Für die sagenhaften Riesen aus dem Kronstädter Land...?)
Und täte Godot die unfertig wartenden Flughäfen beider `B´-Städte zusammenpacken, wer weiß, würde sicher der beste aller Flughäfen draus.


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Mittwoch, 12. Juli 2017

Die Glücklichen und die Vergessenen


Vergesslich sind wir. Nicht nur bei allesschmelzender Hitze. Nicht nur, wenn wir alt sind oder dement, und amtlich schwächer werden dürfen. Nicht einmal nur, was die schlechten Nachrichten betrifft, die verbeulten, rostigen Nachrichten-Schnellzüge, die weiterrattern von Krawall zu Hunger, zu Feuer, zu Bombe, zu neuen Ministern, zu falschen Entschlüssen, weiter, weiter. Wir vergessen, was noch alles zu tun ist. Wir vergessen, wie oft wir uns schon gesagt haben, dass wir nicht vergessen sollten: zum Beispiel, wie schön es ist, wenn etwas funktioniert. Kopf, Beine, Krankenversicherung, Vater Staat. Immer wieder vergessen wir, dass wir nicht vergessen wollten, wie gut es uns geht. 














Da ist neulich die Frau, die diese Püppchen herstellt und verkauft. Umlagert von Sonne und Zeltschatten, von Bündeln aus Ohrringen und Ketten. "Where do you come from?", fragt sie. "Oh, Germany?" Deutschland, sagt sie, ach ja, da, wo alles seine Ordnung hat." Ein wenig müde klingt ihre Stimme, und so, als spräche sie von einer weit entfernten Welt.  
Hinter ihr die Fransen der Stadt, eine große, hügelgesäumte Weite. Burzenland. Vor ihr Bierzeltbänke. Musik. Und Mauern, majestätisch angeschrägt, hoch. Festungsmauern. Die alte Wächterzitadelle, Schlossbergfestung.
Prominent über der Stadt. Und doch in städtischen Touristenblättern verschwiegen, als wäre sie nicht existent.
Nur in älteren Schriften taucht sie auf. Bis vor ein paar Jahren beherbergten ihre Höfe noch touristen-`historisch´ ausstaffierte Restaurants. Und heute  -  bröckelnde Staffagen, für nichts und niemanden mehr. Geschlossen.
Ein wahrer Schloss-Geist, ein Geisterschloss, umwölkt von Geschichte, Belagerung, Knast; doch eigentlich vergessen, weggeschlossen hinter pseudostarken Burgtüren.


Und diese Art Geister sind nicht selten im Land.

Je genauer man hinsieht, desto häufiger findet man sie.
Wände mit Moosbärten, mit Rissen und Farbdosenlinien statt mit Familienbildern, Gardinen oder Nachttischlampen. Häuser, die leerstehen seit Jahr und Jahr und Tag. Stuckverzierte genau wie nüchterne, Fabrikhallen genau wie Häuser von Politikern, Dichtern, Geschichtsbuchmenschen.

Viele dieser Gebäude sind MONUMENT ISTORIC, beschildert, gelistet auf für intensiven Denkmal-Schutz zu langen Listen.
Die Zeit schreitet fort, rast, radelt, holpert. Ist vielleicht hier in Siebenbürgen eine andere Zeit. 
"Zögernd nur schlagen die Uhren", heißt es beim Kronstädter Dichter Adolf Meschendörfer, "zögernd bröckelt der Stein." 
Und doch legt die Zeit nie ihre gefährlichen Waffen ab, ihre Zähne. Sie nagt an Fenstern, Wänden, Dächern. (Zusammen mit ihren Gehilfen, Wind, Wetter oder Schrottdieben zum Beispiel.)  - Alles, während die Häuser zu warten haben. Warten, dass Richter und Anwälte arbeiten, dass schwierige Kämpfe zu Ende gefochten werden, zwischen Gesetz und Gesetz und so-so. Zum Beispiel: Ein Gesetz erlaubt Mietern bald nach der Wende, ihre Wohnungen preiswert vom Staat zu kaufen. Ein anderes gibt den vorkommunistischen Besitzern Rückgaberecht. Und nun? Nichts passt zusammen, man prozessiert, streitet, wartet. Die Doppelbesitzhäuser sind derweil wie auf dem Abstellgleis geparkt. Manche bewohnt, viele leer, und keiner, auch nicht der Staat, hat Lust, in so unklarer Lage mehr als hie und da einen winzigen Pinsel in die Hand zu nehmen.
Für tausende Häuser ein Problem, in Siebenbürgen und im ganzen Land. Am dichtesten gedrängt naturgemäß in der millionenstarken Hauptstadt. "Sad, empty buildings", sagt dort Stadtführerin Alina, leise.
Lieber zeigt sie "lucky houses": die, die eben genau das sein dürfen: Häuser. Keine vergessenen, einsamen Gespenster, keine windlöchrigen Ziegelhaufen. Häuser mit dichten Dächern und Wänden, für Menschen, die nicht unbehaust sind.
Ja, erinnern wir uns, wie glücklich so ein Haus.



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Donnerstag, 22. Juni 2017

Er ist da! Ist er da?

Ankündigungen? Gab es, ja. Es wird auch in diesem Land gewartet.



Zum Beispiel hinter vielen Schaufensterscheiben: auf arbeitswillige Hände. Auf Kellner, Verkäufer, Personal.
Gewartet wird im Morgengrauen vor Passstellen und Ämtern.

Vor Gerichten wird ausgeharrt und vertagt. 




Gewartet wird, dass lange Prozesse ein Ende; dass verrottende Häuser einen Besitzer, Sanierer, Retter finden, bevor höchstens noch der Teufel in ihnen wohnt.  
Auf Entscheidungen wird gewartet, auf Lösungen. Auf die Zukunft. 
Auf Ewigkeit wird gewartet. Auf Gott. Oder auf immerhin endlich einen Pfarrer für eine traditions-große Pfarrwohnung, Kirche, Gemeinde.
(Andernorts auch auf eine Gemeinde für einen Pfarrer wohl, allzu lang.)



Nicht selten wird gewartet auch auf das Wachsen guter Geschäftsbeziehungen. 

Industrie- und Handelskammern helfen dabei, eine Deutsch-Rumänische zum Beispiel, so wie ihre Schwestern für fast jedes andere Land. 
Nicht in einer Kammer, nein, in einem hohen Hotel zwischen Schnellstraße und Berggrün hoffen so auf Erfolgszuwachs etwa Sachsen aus Sachsen und Sachsen aus Siebenbürgen. 
Nur auf das politische Haupt der Sachsen aus Sachsen wartet die Delegation diesmal umsonst. 
Der sächsische Ministerpräsident, religiös und Teil einer Minderheit, wie die Siebenbürger Sachsen auch, er ist in Bukarest geblieben. Gebannt von einer spannenden neuen Wendung im rumänischen Kampf zwischen Regierung und Regierung und Korruption. 
Nach Bukarest also? Fährt auch die Stadtschreiberin einmal. Und wartet. 
Gewalt oder etwa politische Demonstrationen sieht sie, in 24 Stunden jedenfalls, genauso wenig wie in Kronstadt. Auch Straßenhunde kaum.
Verrottende Häuser dafür zahlreich. Sehr elegante Häuser auch.

Und mitten in der wilden Wucherung von Stadt, ganz plötzlich, ist er da.

Godot. In Apartment 1.













Aber ist er auch zuhause?

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