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Freitag, 9. Juni 2017

Bitte Kreuzung bleib gesund




"Wann gibste mir mein Pösi zurück?", plapperten schon vor Jahrzehnten Berliner Unterstufenkinder. Und fragten damit nach dem "Poesiealbum" mit erst noch leeren Seiten, das Mitschülern geliehen wurde, auf dass sie sich verewigen sollten. Durch Passbilder, krakelige Unterschriften, ungelenke Zeichnungen; manchmal auch durch begehrte Westaufkleber, die Abdrücke ins Papier glotzten mit zu dicken Wackelaugen.


Wirkliche Gedichtstrophen schafften es schon damals selten in so ein Album. Häufiger dafür die immer gleichen knappen Sprüche, wie abgeschrieben vom Banknachbarn:
 "Blaue Augen / roter Mund / liebe Paula / bleib gesund."
Oder, layout-ausgefuchst auf die Winkel des Blattes verteilt: "In allen / vier Ecken / soll Liebe / drin stecken."
(Solche Zeilen vom leise angeschwärmten Gregor oder Kai... oft genug gemurmelt, wurde daraus manchmal, wer weiß, vielleicht doch Poesie.)



Alle vier Ecken aber  -  sind in der Tat unwägbar genug. Sind eng, sind Falle, Kiste, Verlies.


Und können sich doch wandeln, sich strecken: zu Pfeilen, zu Richtungen, zu Wegen.





Und keiner weiß, wie weit, so ein Weg, und keiner weiß, wer wartet da, und keiner weiß, was wird passieren.
Unendlich. Unheimlich. Zum Schwindligwerden.










Viel Raum für Aberglauben an jedem Kreuzweg, schon immer. In alle Richtungen offener Raum, dem nicht zu trauen ist. Treffpunkt für böse Geister.







Und endlos trauriger Raum, todtrauriger Weg, für Christen zumal.
Via Dolorosa, voller Tränen, Fehler, Schmerzen.











Ein Schutzsymbol zur Sicherheit aufzustellen, hat vielerorts lange Tradition.
Schon die Römer stellten Weihesteine auf für ihre Wegegöttinnen. Feuer und Opfergaben dort noch bis ins Mittelalter, zum Verdruss der christlichen Bekehrer. Doch aufzuhalten waren die nicht.
An sich direkt natürlich: ein Kreuz an einer Kreuzung.

Manche der meist katholischen Flurkreuze, das kennt man, haben ein Dach auch, oder einen Zaun.









Diese Stadt aber ist nicht zuvorderst katholisch.
Orthodox ist sie, zum überwältigend größten Teil; römisch katholisch, ein wenig, und evangelisch etwas auch.
Und doch besitzen hier etliche Kreuzwegkreuze sogar ein eigenes Häuschen. Im streng rumänischen, alten Stadt-Westen jedenfalls, nah an den Karpatenfelsen. Ein eigenes Häuschen!
Als Regenschutz für böse Kreuzweggeister? Gott bewahre. Als Käfig, sie einzusperren wie Hühner?
Nein! Sie fortzuschicken, sie ganz fernzuhalten. Drinnen wohnt das Kruzifix, schlechte Geister halten Abstand.















Und die Gebetshäuschen, als seien sie nicht poetisch genug, haben noch eine geheimnisvolle Kraft: Sie laden hie und da zum Tanz. Laden flinke, schwindelfreie Tänzer ein, glitzernde Kostüme, Musik. Und sogar, so hört man, Beschützer hoch zu Ross... .


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